Lesesucht (oder Lesewut) ist ein Begriff, der eine im 18. Jahrhundert beginnende Debatte (um "falsche" Lektüre bzw. "gefährliche" Literatur) in der deutschen Literaturgeschichte beschreibt. Goethes "Die Leiden des jungen Werthers" und die Sturm und Drang-Bewegung gelten als Katalysatoren dieses Ereignisses.
Der Sprachforscher Joachim Heinrich Campe, der u.a. für knapp 10.000 Fremdwörter deutsche Begriffe einführte, übernahm den Begriff "Lesesucht" im Jahr 1809 in sein Wörterbuch: „Lesesucht, die Sucht, d.h. die unmäßige, ungeregelte auf Kosten anderer nöthiger Beschäftigungen befriedigte Begierde zu lesen, sich durch Bücherlesen zu vergnügen.“
Die Lesesucht, welche sich nach Berichten von Zeitgenossen, ab 1780 bei einem großen Teil des Lesepublikums ausgebreitet hatte, stand im Mittelpunkt der Diskussionen der literarischen Öffentlichkeit. Als Risikogruppen galten vor allem Jugendliche und Frauen. Erwachsene Männer waren seltener betroffen, da sie sich vorwiegend der Sachliteratur widmeten und nicht der die Phantasie anregenden Belletristik.
Die zentrale Kritik liegt laut Campe in der Motivation des Lesens, nämlich aus „Begierde […] sich durch das Büchlein zu vergnügen.“ Man vernachlässige Tätigkeiten im Haushalt, die Aufmerksamkeit für die Kinder gehe abhanden und auch körperlich würde man geschwächt sein. Dies stelle dann als Konsequenz eine Gefahr für den häuslichen Frieden dar. Es gab jedoch auch Stimmen, die den neuen Begriff etwas relativieren, so schreibt zum Beispiel ein Rezensent der Allgemeinen Bibliothek für das Schul- und Erziehungswesen: „[Es] ist nicht alles Sucht, was zuweilen dafür angesehen werden will.“
Im Rahmen der Debatte um die Neuen Süchte wie Fernseh-, Spiel- und Arbeitssucht sehen Autoren in Publikationen zum Thema Medien (vergleiche: Binge Watching; (engl. „binge“ = „Gelage“; ); Serienmarathon) oftmals Parallelen zu dem Phänomen der Lesesuchtdebatte, in welcher die Kluft zwischen Diskursaufkommen und tatsächlicher Medienwirkung bemerkenswert war.
Siehe auch:
Bibliomanie
Bibliophilie