Bereits seit vielen Jahren ist Mobbing ein allgegenwärtiges Instrument an Schulen und darüber hinaus auch in etlichen weiteren Bereichen des Lebens. Während junge Menschen jedoch in sozialen Medien beispielsweise über die Möglichkeit verfügen, ihr Gegenüber zu blockieren, gestaltet sich selbiges in Schulgebäuden als schwierig. Über den richtigen Umgang mit Mobbing wird leider nach wie vor zu wenig kommuniziert und so kehren immer mehr Betroffene in sich und verschließen sich vor der Außenwelt. Um diesen Teufelskreis beim eigenen Kind nicht ebenfalls einflusslos ertragen zu müssen, gibt es verschiedene Herangehensweisen, die allesamt aufeinander aufbauen. Nachfolgend wird im Detail auf diese eingegangen.
Über Mobbing und dessen Folgen im Allgemeinen
Tatsache ist – und das ist unbestreitbar, so bedenklich es im Grunde auch ist – Täter suchen sich ihre Opfer stets nach einem unbewussten Muster aus. Es macht dabei keinen Unterschied, welche Kleidung getragen wird und wie es um die Schulnoten steht. Ein einziger negativer Eindruck, der sich einprägt, genügt bereits – und das Mobbingopfer wird seine Rolle so schnell nicht mehr los. Es ist ein weit verbreiteter Irrglaube, dass durch das Vermeiden von Markenkleidung oder den offensichtlichen Eindruck von Wohlstand solche Szenarien vermieden werden können. Viel eher suchen sich Täter jemanden aus, der einen charakterschwachen Eindruck erweckt. Mit anderen Worten: Die graue Maus wird nicht kraft genug haben, um sich zu wehren. Immerhin ist sie zu beschäftigt damit, sich in ihrem eigenen Schatten verschwinden zu lassen.
Dem Selbstbewusstsein ist das selbstredend keine Hilfe. Anstatt daran zu wachsen und es in der nächsten Schule besser zu machen, ist das eigene Bild für immer geschädigt. Betroffene berichten oft noch im Erwachsenenalter von den Spätfolgen, die durch das Mobbing entstanden sind:
- Wertverlust und Unverständnis darüber, dass sie von engen Freunden und Geliebten akzeptiert werden.
- Fehlendes Durchsetzungsvermögen, was dementsprechend auch im Berufsleben zur Last werden wird.
- Verdrängen von Erinnerungen aus der Schulzeit – bis hin zur strikten Meidung von Klassentreffen und Kontakt zu ehemaligen Klassenkameraden.
- Schwierigkeiten, Freundschaften und enge Beziehungen zu knüpfen.
- Hilflosigkeit, sollte selbiges Muster beim eigenen Kind zu erkennen sein.
Darüber hinaus ist es ebenso ein Fehlglaube, dass Mobbingopfer selbst einmal zu Tätern werden. Statistisch gesehen trifft dies mehr auf Personen zu, die aus einem schwierigen Umfeld entstammen.
Warum ein Mobber überhaupt zum Mobber wird
Das schwierige Umfeld begrenzt sich in erster Linie auf die eigene Familie. Ein schlechter Einfluss durch Freunde und Bekannte kann schließlich noch rechtzeitig erkannt und unterbunden werden. Zudem neigen Kinder aus familiären Verhältnissen, in welchen die Eltern ihr Kind zu jeder Zeit ihre Liebe spüren lassen, vergleichsweise gering dazu, auf andere loszugehen. Nach verschiedenen Analysen von Tätern ist das immergleiche Muster zu erkennen:
- Ein oder beide Elternteile verbringen kaum oder gar keine Zeit mit dem Kind.
- Es handelt sich um ein Scheidungskind, auf dessen Rücken ein Rosenkrieg ausgetragen wurde.
- Zwischen Kind und Eltern besteht ein emotional missbräuchliches Verhältnis. Sprich, das Kind wird beispielsweise aufgrund einer Trennung idealisiert und darf nicht länger Kind sein.
- Das Kind hat Geschwister und bekommt den klaren Eindruck vermittelt, dass es nicht der Liebling ist bzw. dass es einen Liebling gibt.
Das Mobbing als solches ist nicht etwa ein Instrument des Täters, um der Person gezielt zu schaden, die es letztendlich trifft. Vielmehr geht es darum, dass ein Ventil gebraucht wird, auf welches der ganze empfundene Ärger projiziert wird.
Ist es möglich, Mobbing vorzubeugen?
Es gibt verschiedene Taktiken, die durchaus unter Beweis stellen, dass es möglich ist, Mobbing von vornherein zu unterbinden. Das setzt allerdings voraus, dass das betreffende Kind, welches ein Opfer von solchen werden könnte, mit seinen Eltern sachlich und reflektiv darüber sprechen kann. Bereits im Grundschulalter sollte daher das offene Gespräch gesucht werden. Anstatt daran festzuhalten, das Kind möglichst lange Kind sein zu lassen und es gleichzeitig von allem Bösen der Welt fernzuhalten, sollte es schon früh lernen, dass es auch unangenehme Situationen gibt, denen es sich später einmal stellen muss.
Ein selbstreflektiver Umgang hilft hierbei ebenso. Das Kind sollte einen offenen Umgang mit Gefühlen lernen. Geschlechtsbehaftete Vorurteile, wie etwa, dass Jungs weder emotional, noch weinerlich sein dürften, müssen ohne Wenn und Aber abgelegt werden. So lernen Kinder schon von Beginn an, dass es in Ordnung ist, sich verletzt zu fühlen; dass dies sogar ein wichtiger Schritt ist, um Erfahrungen zu sammeln. Und genauso wichtig ist es auch, über die empfundenen Emotionen zu sprechen. Hierauf baut das Verständnis auf, andere nicht willkürlich zu verletzen. Ob durch Worten oder Taten. Frei nach dem Motto: „Tu anderen nicht, was du selbst nicht möchtest.“
Gefördert wird dadurch die Einstellung, offen auf andere zuzugehen und potentiellen Mobbern bereits in der Beginnphase den Wind aus den Segeln zu nehmen.
Bereits im Grundschulalter ein Ventil für Emotionen bieten
Um zu verhindern, dass womöglich das eigene Kind an unkontrollierten Wutausbrüchen leidet und am Ende selbst zum Täter wird, oder aber auch, um dem vorzubeugen, dass sich das Kind in seiner Opferrolle nicht zu stark in sich kehrt, ist ein Ventil notwendig. Das kann bereits das Gefühl von Geborgenheit sein, durch welches das Kind offen über seine Wünsche, Probleme und Bedenken mit seinen Eltern spricht. Selbst introvertierte Personen werden nicht davor Halt machen, sich mitzuteilen, wenn sie von jüngsten Tagen an daran gewöhnt werden.
Alternative Ventile können gute Freunde oder auch Freizeitbeschäftigungen sein. Personen, die zu einem starken Temperament neigen, sollten schon früh lernen, selbständig damit umzugehen und es damit gar nicht erst eskalieren zu lassen. Anstatt körperliche Gewalt im Moment der Verzweiflung anzuwenden, können auch sie dadurch das Gespräch anbieten und Gefühl zeigen. In so einem Fall wird ein körperlicher Ausgleich benötigt, wie etwa Sport. Im Kampfsport beispielsweise wird nicht nur die Möglichkeit dazu geboten, sich auszupowern, sondern es werden auch wichtige Lektionen über den gegenseitigen Respekt gelehrt. Zudem stärkt das Erlernen eines Kampfsports massiv das Selbstbewusstsein.
Muss es schnell gehen, so eignen sich Stressbälle oder auch Wuthefte sehr gut. Letzteres ist ein schlichtes, leeres Heft, mit möglichst vielen Seiten, die bei Bedarf einfach herausgerissen und willkürlich zerstört werden können. Es sollte natürlich Abstand von Feuer und anderen, gefährlichen Methoden genommen werden. Allerdings lenken Kinder dadurch ihre Wut von schlechten Testnoten oder ähnlichem auf das leere Blatt. Sie haben ihr Ventil und zerstören keine wichtigen Schulunterlagen.
Zuhause kann zudem ein Tagebuch geführt werden. Dieses sollte allerdings nicht in die Schule mitgenommen werden, um hier keine Angriffsfläche zu bieten. Intimste Gedanken haben nichts an einem öffentlichen Ort verloren und waren schon oft Grund dafür, dass eine Situation enorm eskaliert ist.
Offenen Umgang mit dem Kind suchen
Eltern würden gerne Superhelden für ihre Kinder sein. Sämtliche Probleme aus dem Weg schaffen. Zu oft wünscht man sich in fortschreitendem Alter der kleinen Teenies zu den Tagen zurück, in denen das Monster unter dem Bett verscheucht werden konnte. Man war stets in der Lage, dem eigenen Kind alle Sorgen zu nehmen. Aus genau diesem Grund haben viele Eltern ein Problem damit, ihren Kindern gegenüber offene Schwäche zu zeigen. Genau hier liegt aber auch ein potentiell schwerer Fehler verborgen.
Sein Kind wohl zu behüten und ihm das Gefühl von Geborgenheit zu geben, bedeutet nämlich nicht, dass niemals Fehler passieren dürfen. Ganz im Gegenteil, sie sind von hoher Relevanz für den weiteren Lebensweg, da man nur aus solchen wirklich lernen kann. Ein offener Umgang mit dem Kind über solche Szenarien ist daher von enormer Wichtigkeit.
Im Falle von Mobbing darf einem betroffenen Kind zu keiner Zeit das Gefühl vermittelt werden, dass mit nur einer Handlung ein Ende erreicht wird. Die Ratlosigkeit über die Situation sollte stattdessen als Instrument genutzt werden, das Kind zu stärken und ihm Selbstbewusstsein zu verleihen:
- Eine familiäre Krisensitzung einberufen und dem Kind damit das Gefühl vermitteln, dass seine Meinung und Wünsche oberste Priorität haben.
- Keinesfalls eigenmächtig handeln und hinter dem Rücken des Kindes etwas unternehmen!
- Nicht immer ist ein Gespräch mit den Eltern des Mobbers, einem Lehrer oder dem Direktor sofort sinnvoll. Zunächst sollte das Opfer selbst versuchen, die Angelegenheit zu lösen. Gleichzeitig darf es aber nicht das Gefühl verlieren, mit den Eltern darüber reden zu können. Kann es die Sache mit dem Täter selbständig klären, ist das ein starker Push für das Selbstbewusstsein.
Dem Kind in jeder Situation entgegenkommen und es unterstützen
Mobbingopfer unterliegen einer Ausnahmesituation. Sie können nicht normal in die Schule gehen, ohne sich hier großer Angst ausgesetzt zu fühlen, können zum Teil nicht richtig schlafen und leiden in der Folge an Schlafmangel, Sekundenschlaf und anderen Problemen. Auch ausgewachsene Depressionen können entwickelt werden, umso hilfloser sich der Betroffene fühlt. Das ist auch der Zeitpunkt, an dem es am verwundbarsten ist.
- Eine Ausnahmesituation muss auch als solche behandelt werden. Das betroffene Kind und sein geistiger Zustand haben nun oberste Priorität.
- Jede Emotion des Kindes muss ernst genommen werden.
- Das Kind benötigt dennoch persönlichen Freiraum. Keinesfalls sollen ohne Einverständnis Tagebuch oder andere Unterlagen gelesen werden. Stattdessen müssen ein offenes Ohr und Rückendeckung geboten werden.
Unterstützung im Fall von Mobbing kann zudem viele Formen annehmen. Gespräche mit Lehrern und Direktoren werden dann notwendig, wenn die Zankereien ein bedrohliches Ausmaß erreichen. Nicht aber sollte das Gespräch gesucht werden, weil eine kurze Unstimmigkeit vorherrscht. Das kann oftmals den Ruf des Kindes schädigen und es noch mehr zum Opfer machen, als es ohnehin schon ist.
In schwerwiegenden Fällen empfiehlt es sich, das Gespräch zu den Eltern der Mitschüler zu suchen. Etwa, wenn bereits mehrfach etwas gegen die Mobbingattacken unternommen wurde und kein Erfolg in Sicht ist. Womöglich ist der Täter schon mehrfach aufgefallen und die Lehrer erhalten so etwas in die Hand gespielt, was ihnen beim Unterbinden der Attacken hilft. Abgesehen davon können sich so auch starke Bündnisse zwischen den betroffenen Schülern bilden. Anstatt nun alleine dazustehen, haben sie nun eine Gruppe erschaffen, die sich gegenseitig verteidigt und stützt.
Sollten alle Stricke reißen, bleibt noch die Möglichkeit eines Schulwechsels. Im besten Fall durch die Unterstützung des Direktors. Vorstufen könnten eine Kontaktaufnahme zum Schulrat und zu offiziellen Anlaufstellen sein. Viele Schulen haben zum Beispiel einen Vertrauensschüler, der auf Hinweise und Kontaktaufnahme angewiesen ist, um etwas unternehmen zu können.
Der unkonventionelle Weg: Ein Referat zum Thema Mobbing
Großen Erfolg im Kampf gegen Mobbing zeigten auch bereits Referate zu diesem Thema. Es handelt sich dabei allerdings um eine Methode, die für charakterstarke Personen besser geeignet ist, als für jemand introvertiertes. Im Optimalfall tun sich dabei auch zwei Schüler zusammen, damit eine geistige Unterstützung dabei ist, die als Mittelsmann zwischen der Klasse und dem Opfer dient.
Während dem Referat soll nicht zwangsweise darüber gesprochen werden, was Mobbing genau ist und wodurch sich dieses definiert. Die eigenen Empfindungen sind viel relevanter, da sich die restliche Klasse in diese in der Regel gut hineinversetzen kann.
Während das nicht unbedingt dazu führt, dass der Täter mit seinem Tun aufhört, spalten sich Mitläufer zumeist von ihm ab, sobald ihnen bewusstwird, was sie dem Opfer überhaupt antun oder angetan haben. Zudem wird das Mobbing im Nachgang nicht weiter so toleriert, wie zu anfangs. Die Klasse nimmt das Opfer in Schutz, während der Täter seine Macht verliert.
Können Mobbing-Opfer und -Täter später Freunde sein?
Die Konstellation zwischen Opfer und Täter und der Tatsache, dass sie in späteren Jahren einmal Freunde oder gar ein Paar werden, zieht sich oft und gerne durch Hollywood. Tatsächlich handelt es sich dabei aber um eine Konstellation, die stärker romantisiert wird, als es der Wahrheit entspricht. In 1.000 Fällen kommt es vielleicht zwei- oder dreimal vor, dass das Opfer zu einem späteren Zeitpunkt noch überhaupt etwas mit seinem Peiniger zu tun haben möchte. Zumeist sitzt der seelische Schmerz einfach zu tief.
Immerhin fühlen sich nicht selten Mobbingopfer seelisch völlig gebrochen.